Sicherheit in Deutschland Herausforderungen und Perspektiven



Nach den Worten von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble müssen Kriminelle frühzeitig und nachhaltig spüren, dass ihr Verhalten von unserer Gesellschaft nicht toleriert wird. Der Eingriff des Staates könne aber immer nur das letzte Wort sein, schreibt der CDU-Politiker in der Zeitschrift „Politische Studien“ der Hans-Seidel-Stiftung. Die Vermittlung „von Werten, Halt und innerer Orientierung“ müsse zuallererst in den Familien stattfinden. Diese Garanten unseres Zusammenlebens habe der Staat nach Kräften zu unterstützen.

 

Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit sind die Grundvoraussetzungen für die Ent­faltung des Einzelnen in der freiheit­lichen Gesellschaft. Unser Rechtsstaat schützt die Freiheitsrechte aller Bürger. Dass es Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, einen Rechts­staat aufzubauen, ist eine der größten Leistungen unserer jüngeren Geschich­te. Aber im praktischen Leben ist Frei­heit ohne Sicherheit nicht viel wert. Erst wer sich sicher fühlt, wer nicht Angst haben muss um sein Leben, sei­ne Gesundheit, sein Eigentum, kann frei und selbstbestimmt handeln. Es ist also ein Irrtum zu glauben, Sicherheit und Freiheit seien Gegensätze. In Wahrheit bedingen sie sich wechselsei­tig. Freiheit ohne Sicherheit ist nicht lebbar. Und Sicherheit ohne Freiheit ist nicht wünschbar. Wer das eine gegen das andere ausspielt, macht einen Feh­ler. Deshalb ist es eine Kernaufgabe des Staates, für Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gleicher­maßen zu sorgen.

 

1. Neue globale Herausforde­rungen für die Sicherheit

 

Diese Aufgabe ist in unserer globali­sierten Welt nicht einfacher geworden.

Die Globalisierung hat Menschen, Unternehmen und Institutionen viel enger miteinander vernetzt und den weltweiten Austausch von Gütern, Kapital und Informationen beschleu­nigt. Das bringt viele grundlegende Änderungen für unsere Gemeinschaft mit sich. Unsicherheiten wachsen, Bin­dungen werden schwächer. Angesichts der großen Vielfalt des gesellschaft­lichen Lebens sind Werte und ihre Ver­mittlung vielleicht noch wichtiger, als sie es immer schon waren. Allerdings ist es schwieriger geworden, sich auf ge­meinsame Werte zu einigen.

 

Mit der Globalisierung hat die Mobili­tät der Menschen stark zugenommen. Die neuen Informations- und Kom­munikationstechnologien geben uns ganz neue Möglichkeiten der Inter­aktion. Die Offenheit unseres Landes und seine Einbindung in globale Wert­schöpfungsketten verstärken unsere Abhängigkeit von internationalen Ent­wicklungen. Krisen und Kriege in an­deren Teilen der Welt betreffen auch unser Land. Also ist es notwendig, dass Deutschland auch einen Beitrag leistet, um Krisen und Konflikte dort zu be­kämpfen, wo sie entstehen, bevor die Folgen unser Land erreichen. Aus diesem Grund ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Und deswegen unterstützt die Bundesregierung dort auch den Aufbau eines funktionieren­den, rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Polizeiwesens.

Überhaupt verlieren nationale Gren­zen als Trennlinien und Sicherheits­schranken zusehends an Bedeutung. Neue asymmetrische Bedrohungen sind entstanden. Also müssen wir – si­cherheitspolitisch, aber auch darüber hinaus – auf die Auflösung des Gegen­satzes von innen und außen reagieren. Das stellt uns vor neue Herausforde­rungen.

 

Schwarzmalen ist dennoch nicht ange­bracht. Unser föderalistisches Sicher­heitsnetz hat sich hervorragend be­währt. Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten ist in Deutschland seit eini­gen Jahren leicht rückläufig. Entspre­chendes gilt für die Zahl der Straftäter, auch bei Jugendlichen und Heran­wachsenden. Gleichzeitig steigt die Aufklärungsquote kontinuierlich. Wir haben auch ein bisher nicht erlebtes Maß an Stabilität und Wohlstand er­reicht. Das liegt daran, dass die Men­schen in unserem Land gute Arbeit leis­ten. Hinzu kommt, dass die Globalisie­rung uns neue Märkte eröffnet hat. Deutschland gehört zu den Gewinnern dieses Prozesses.

 

2.  Die Erweiterung des Schengenraums

 

So bringt uns auch die Erweiterung des Schengenraums, die wir Ende 2007 vollzogen haben, viele neue Chancen -wirtschaftlich, politisch und kulturell.

Wir haben nun offene Grenzen zu Po­len und Tschechien. Davon profitieren insbesondere die Grenzregionen. Frü­her waren sie in einer Randlage, heute haben sie eine neue Zentralität bekom­men. Die Bürger, die dort wohnen, wis­sen das vielfach zu schätzen. Es ist ein konkreter Gewinn an Freiheit – nicht nur für uns, sondern auch für die Men­schen in Osteuropa.

 

Die Öffnung der Grenzen schließt eine glückliche Entwicklung ab, die mit dem Fall der Berliner Mauer begann. Das östliche Europa hat in den Wende jähren 1989 und 1990 seine Freiheit zurück­gewonnen – Deutschland auch seine Einheit. Heute trennen uns diese Gren­zen, die einst unüberwindbar schie­nen, nicht mehr. Das ist alles andere als eine selbstverständliche Entwicklung. Darauf hat auch der Osteuropa-Exper­te Karl Schlögel von der Europa-Uni­versität Viadrina in Frankfurt (Oder) hingewiesen: ?Für jemanden wie mich, der noch ganz im Schatten des Eiser­nen Vorhangs aufgewachsen ist, liegt über dem, was seit 1989 geschieht, noch immer der Zauber dessen, dass etwas eingetreten ist, auf das man schon nicht mehr hoffen konnte.“

 

Aber auch Menschen, die den Zauber des historischen Moments nicht spü­ren, können ohne Sorgen auf die Grenzöffnung blicken. Ähnliche Be­denken wie heute gab es auch bei der Öffnung der deutsch-französischen Grenze vor annähernd 15 Jahren – ich kenne sie, weil mein Wahlkreis an der Stadtgrenze von Straßburg endet. Da­mals hat es gut funktioniert. Und wir haben auch heute mit unseren Part­nern alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, damit die Schengenerweite­rung nicht nur ein Mehr an Freiheit,

Sicherheit in Deutschland – Herausforderungen und Perspektiven

sondern auch ein Mehr an Sicherheit bringt. Dazu werden wir intensive mobile Kontrollen im Grenzgebiet durchführen, die den Fahndungsdruck und das Entdeckungsrisiko für Krimi­nelle erhöhen. Außerdem sind die neuen Mitgliedstaaten seit September 2007 an das Schengener Informations­system angeschlossen und können dort ihrerseits Daten einstellen. Das hat bereits zu einer deutlichen Zunahme der Fahndungstreffer geführt.

 

Die Öffnung der Grenzen hat auch eine Neuorganisation der Bundespolizei, die umfangreiche grenzpolizeiliche Aufgaben erfüllt, notwendig gemacht. Ein entsprechendes Gesetz trat am 1. März 2008 in Kraft. Natürlich sind die Veränderungen für die Betroffenen nicht immer einfach. Viele Polizistin­nen und Polizisten müssen neue Auf­gaben an anderen Orten übernehmen. Der Umbau bringt der Bundespolizei aber erhebliche Effizienzgewinne und auch beträchtliche praktische Vorteile. So werden rund 1.000 Polizeibeamte mehr für die operative Arbeit zur Ver­fügung stehen.

 

3.  Intensivierung der euro­päischen Zusammenarbeit

 

Es wäre eine Illusion zu glauben, ein Staat könne im Alleingang für seine Sicherheit sorgen. Niemand kann sich heute dauerhaft gegen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt, gegen Ein­flüsse aus anderen Kulturen und Regio­nen verschließen. Grenzüberschreiten­den Bedrohungen können wir nur durch eine effektive grenzüberschrei­tende Zusammenarbeit entgegentre­ten. Deutschland mit seinen vielen Nachbarn ist vor allem auf ein hand-

lungsfähiges Europa und ein tragfähi­ges europäisches Sicherheitsnetz ange­wiesen.

 

Um illegale Migration, organisierte Kriminalität oder terroristische Netz­werke in Europa wirkungsvoll zu be­kämpfen, brauchen wir einen engen Austausch unserer Erkenntnisse in­nerhalb eines modernen polizeilichen Informationsverbundes. In jüngster Zeit haben wir in der Europäischen Union wichtige Fortschritte erzielt. Während der deutschen EU-Rats­präsidentschaft ist es uns zum Beispiel gelungen, eine Einigung über die Überführung des Vertrages von Prüm in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu erzielen. Damit schaffen wir die rechtlichen Grundlagen, dass die Polizeien aller 27 Mitgliedstaaten einen automatisierten Zugriff auf die Datenbanken der anderen Länder mit DNA-Analysen, Fingerabdrücken und Fahrzeugdaten bekommen. Ich bin überzeugt, dass darin ein ganz erheb­licher Gewinn für die polizeiliche Pra­xis liegt. Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv.

 

4.  Bedrohung durch den inter­nationalen Terrorismus

 

Einen engeren Informationsaustausch brauchen wir auch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Zwar gibt es zum Glück nicht mehr die Art militärischer Konfliktlagen, die wir noch aus den Zeiten des Kalten Krieges kennen. Dafür hat aber die Bedrohung der freiheitlichen Gesellschaften durch den internationalen Terrorismus seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine vollkommen neue Dimen­sion erreicht.

 

 

Bei den fehlgeschlagenen Kofferbom­benattentaten auf zwei Regionalzüge im Juli 2006 ist Deutschland nur knapp einem größeren Anschlag entgangen. Auch die Verhaftung der Terrorver­dächtigen im Sauerland im September 2007 macht klar, dass wir Teil eines weltweiten Gefahrenraums sind. In Deutschland gab es in den letzten Jah­ren insgesamt sieben Fälle, in denen Anschläge verhindert werden konnten oder ihre Ausführung aus anderen Gründen gescheitert ist. Derzeit führen unsere Sicherheitsbehörden 184 Ermitt­lungsverfahren gegen militante Islamis­ten durch. In unserem Land halten sich gegenwärtig insgesamt 70 Personen auf, die wir als ?Gefährder“ einschät­zen. Die Sicherheitsbehörden beobach­ten auch, dass Terroristen das Internet verstärkt als Werbeplattform, Fernuni­versität und virtuelles Terror-Camp ein­setzen. Die Inhalte werden zunehmend in deutscher Sprache oder zumindest mit deutschen Untertiteln angeboten.

 

Bisher sind wir dank der guten Arbeit unserer Sicherheitsbehörden und auch durch etwas Glück von einem An­schlag verschont geblieben. Dazu ha­ben auch Einrichtungen wie das Ge­meinsame Terrorismusabwehrzentrum oder das Gemeinsame Internetzentrum beigetragen, die in unserer föderalis­tischen Sicherheitsordnung dafür sor­gen, dass alle beteiligten Behörden ihre Informationen stärker miteinander vernetzen und sich besser miteinander abstimmen können.

 

5. Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung

 

Mit der Föderalismusreform kann dem Bundeskriminalamt eine Zuständigkeit

für die Gefahrenabwehr im Bereich des internationalen Terrorismus übertra­gen werden. Nun muss der Gesetzgeber denjenigen, die gegen Terroristen er­mitteln, klare gesetzliche Regelungen an die Hand geben, damit sie ihre Auf­gaben erfüllen können und zwar auf dem aktuellen Stand der Technik. Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden die Kompetenzen an die Hand geben, damit sie Schritt halten können mit den Entwicklungen in der Internet­kommunikation, die Terrornetzwerke bevorzugt nutzen. Das Bundeskrimi­nalamt benötigt deshalb eine Rechts­grundlage zur Durchführung von On­line-Durchsuchungen. Sie sollen aus­schließlich in besonders schweren Fällen aufgrund richterlicher Anord­nung durchgeführt werden können. Selbstverständlich werden wir dafür auf dem Boden unseres Grundgesetzes strenge verfahrensrechtliche Vorkeh­rungen treffen, um ein transparentes Verfahren und den Schutz der persön­lichen Daten sicherzustellen.

 

Mein Verständnis von Datenschutz ist nicht, dass der Staat wegschauen muss, wenn es um die Vorbereitung schwers­ter Straftaten geht. Datenschutz be­deutet vielmehr, dass der Gesetzgeber offenlegt, wer beispielsweise welche Daten wofür erhebt, welche Daten ver­netzt werden können und wie lange sie gespeichert werden dürfen. Das Ergeb­nis ist im Übrigen alles andere als ein Überwachungsstaat. Unser Staat stellt niemanden unter Generalverdacht und begrenzt die Eingriffe auf ein not­wendiges Minimum.

 

Aber nicht nur im Internet müssen wir terroristische Straftaten bekämpfen und nicht nur dort müssen wir zum Teil erst die gesetzliche Basis schaffen.

Nehmen wir den Fall, dass einer hier le­benden Person der Aufenthalt in einem ausländischen Terror-Camp nachge­wiesen werden kann. Dann muss das eine strafrechtliche Konsequenz ha­ben. Es ist also notwendig, dass wir ei­nen entsprechenden Straftatbestand schaffen und den Besuch eines Terror-Camps unter Strafe stellen.

 

Nicht von der Hand zu weisen ist auch der Fall, dass polizeiliche Mittel für die Abwehr schwerer terroristischer An­griffe, insbesondere aus der Luft oder von See, nicht ausreichen. Dann soll­ten wir die Möglichkeit haben, dass wir die Bundeswehr auch im Inland zum Schutz von Menschenleben und der Grundlagen unseres Gemeinwesens einsetzen. Auch sollten wir eine offene Diskussion darüber führen, wie der Staat auf terroristische Angriffe ange­messen reagieren kann. Es wäre nicht klug, wenn wir solchen Fragen aus dem Weg gingen und darauf hofften, dass die Verantwortlichen im Notfall schon irgendwie eine Entscheidung treffen werden.

 

6.  Homegrown-Terrorismus

 

Wir wissen, dass in Deutschland nicht nur ausländische Terroristen agieren, sondern dass wir auch einen soge­nannten Homegrown-Terrorismus ha­ben, also Terroristen, die in Deutsch­land aufgewachsen sind und hier einen Radikalisierungsprozess durchlaufen haben. Wie in anderen europäischen Staaten besteht auch bei uns die Ge­fahr, dass sich in einzelnen muslimi­schen Gemeinden ein Nährboden für den islamistischen Fundamentalismus entwickelt. Gerade schlecht integrierte Jugendliche sind anfällig für extremistische Ideen und geraten dabei auch in das Täternetzwerk extremistischer Ge­walt. In Deutschland hat sich unter einer Minderheit junger Muslime ein ernst zu nehmendes Radikalisierungs­potenzial entwickelt. Zu diesem Ergeb­nis kommt eine kürzlich vom Bundes­ministerium des Innern herausgegebe­ne Studie.1 Man muss aber dazu sagen, dass wir solche Phänomene nicht nur bei jungen Muslimen beobachten.2 Die Radikalisierungsbereitschaft bei jungen Muslimen hat viele Ursachen: Abschottung von der Mehrheitsgesell­schaft, mangelnde Sprachkenntnisse und geringe Bildung, begrenzte Parti­zipationsmöglichkeiten, Suche nach einfachen Lösungen oder das Feindbild einer angeblich verderbten westlichen Gesellschaft.

 

Entsprechend differenziert sollten die Reaktionen ausfallen: Wo Straftaten ge­plant und ins Werk gesetzt werden, muss der Staat konsequent einschrei­ten. Auch müssen wir Radikalisierungs­prozesse möglichst frühzeitig erkennen und ihnen entgegentreten. Dazu ist es nötig, dass wir uns den Ursachen von Extremismus und Gewalt stärker zu­wenden. Insgesamt müssen wir uns nach Kräften um eine bessere Integra­tion der Zuwanderer bemühen. Das ist ein Kernprojekt der jetzigen Bundes­regierung. Auch aus sicherheitspoli­tischen Gründen sind wir auf Inte­grationserfolge angewiesen: Die beste Vorbeugung gegen Radikalisierung und Gewaltbereitschaft ist Integration.

 

7.  Integration und Dialog -Bündnis mit Muslimen

 

Wir sollten uns davor hüten, die große Mehrheit der gesetzestreuen Zuwanderer moslemischen Glaubens in Deutschland und Europa als vermeint­lich verdächtige Bevölkerungsgruppen in die Nähe der Extremisten zu rücken. Die Zuwanderer sind in Deutschland willkommen. Die Bundesrepublik hat in ihrer Geschichte unterschiedliche Zuwanderungswellen erlebt. In den sechziger und siebziger Jahren waren es vor allem Menschen, die als sogenann­te ?Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen und hierblieben. Die gute wirt­schaftliche Entwicklung Deutschlands war und ist ohne die Mitwirkung vieler hunderttausend Zuwanderer kaum denkbar.

 

Der Islam ist ein Teil Deutschlands ge­worden. Er muss seinen Platz finden in unserem von christlichem Erbe und abendländischer Tradition geprägten säkularen, demokratischen Verfas­sungsstaat. Dazu müssen wir faire Ge­spräche ohne gegenseitige Unterstel­lungen führen und ehrliche Angebote für eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe machen. Nur so können wir die mancherorts vorhandene Selbst­isolation von Muslimen durchbrechen. Die von mir ins Leben gerufene Deut­sche Islam Konferenz hat den Dialog zwischen Staat und Muslimen in Deutschland erstmals auf gesamtstaat­licher Ebene institutionalisiert. Wir ar­beiten daran, eine institutionelle Be­ziehung zu den Menschen islamischer Religion in unserem Lande aufzubau­en, die wir aus einer jahrtausendealten Geschichte zwischen Staat und christ­lichen Kirchen haben. Die Islamkonfe­renz ist insoweit ein notwendiger Be­standteil unserer Integrationspolitik.

 

Die überwiegende Mehrzahl der Zuge­wanderten ist gut in unsere Gesell­schaft integriert. Der Staat und die Gesellschaft dürfen den Einzelnen aber nicht aus seiner Verantwortung für sich selbst und für seine Kinder entlassen. Wir bieten Zuwanderern die Möglich­keit, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Das setzt auf der anderen Seite aber voraus, dass sie hier auch heimisch werden wollen und dass sie unsere Grundwerte – Demokratie, Rechts­staatlichkeit und Freiheit – akzeptieren.

 

Mangelnde Sprachkenntnisse, fehlen­de oder unterdurchschnittliche Schul­abschlüsse, geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt und hohe Arbeitslosigkeit gehören zu den wesentlichen Hinder­nissen für eine gelungene Integration. Vor allem müssen wir die Bildungs­und Berufschancen von Migranten ver­bessern. Erfolg und gesellschaftlicher Aufstieg sind in der Regel die besten Mittel für Integration und gegen Radi­kalisierung.

 

Integration ist aber ein noch viel wei­teres Feld. Die Akzeptanz unserer Werteordnung und der Wille, sich in diese Gesellschaft einzubringen, sind auch bei Bürgern ohne Migrationshin­tergrund nicht automatisch gegeben. Auch bei deutschen Jugendlichen, ge­rade wenn sie aus einem schwächeren sozialen Milieu kommen, gibt es Inte­grationsprobleme. Jugendkriminalität ist in vielen Fällen eine Folge davon. Das bedeutet, dass Jugendkriminalität im Kern kein ethnisches, sondern ein soziales Problem ist.

 

8.  Die offene Gesellschaft ist unsere größte Stärke

 

Kriminelle müssen frühzeitig und nachdrücklich zu spüren bekommen, dass sie Grenzen überschritten haben und ihr Verhalten von der Gesellschaft nicht geduldet wird. Der Eingriff des Staates kann aber immer nur das letzte Mittel sein. Die Vermittlung von Wer­ten, Halt und innerer Orientierung muss zuallererst in den Familien und in anderen gesellschaftlichen Institutio­nen stattfinden. Diese Garanten unse­res Zusammenlebens muss der Staat nach Kräften stärken. Es wäre falsch, wenn der Staat alles regeln und alle

Aufgaben an sich ziehen wollte. Er stellt in erster Linie günstige Rahmen­bedingungen für die Selbstentfaltung seiner Bürger und den freien Wettbe­werb bereit. Wir haben allen Grund, selbstbewusst für unsere Werte und Überzeugungen einzutreten: Unsere offene, freiheitliche Gesellschaft mag uns vielleicht verwundbarer machen; sie ist aber zugleich unsere größte Stärke.

 

Anmerkungen

1 Brettfeld, Katrin/Wetzels, Peter: Muslime in Deutschland. Integration, Integrations­barrieren, Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-re­ligiös motivierter Gewalt, hrsg. vom Bun­desministerium des Innern, Berlin 2007.

2 Einheimische (männliche) Jugendliche in ähnlicher sozialer Lage erweisen sich als in vergleichbarem Maße ?autorita-ristisch-demokratiedistant“; siehe Brett­feld/Wetzeis: Muslime in Deutschland, S.495-500.