Rede im Deutschen Bundestag zum Nachtragshaushalt 2015



Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 und des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern im Deutschen Bundestag am 23. April 2015

„Mit dem vorliegenden Entwurf eines Nachtragshaushalts 2015 und dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern setzt die Bundesregierung ihre Politik für eine größere Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und für Wachstum fort. Eine nachhaltige Finanzpolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum. Dies beweist die Politik der Bundesregierung seit Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2009.

Die Ergebnisse dieser Politik, die Wachstum fördert, werden gerade in diesen Tagen noch deutlicher: Alle internationalen Institutionen haben die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland angehoben. Die Bundesregierung rechnet damit, dass wir in diesem Jahr, nachdem wir im vergangenen Jahr ein reales Wachstum von 1,6 Prozent hatten, ein reales Wachstum von 1,8 Prozent erreichen können, und im kommenden Jahr sind wir ebenfalls dazu in der Lage. Die Beschäftigung in Deutschland ist auf einem Rekordstand, und die Arbeitslosigkeit ist erfreulich niedrig.

Dies alles zeigt, beweist und unterstreicht, dass eine konsequente nachhaltige Finanzpolitik einen wichtigen Beitrag leistet, um nachhaltiges Wachstum und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu verstärken.

Mit einer solchen Politik leisten wir wichtige Beiträge zur Stärkung des Vertrauens bei Unternehmern, Investoren und Konsumenten. Deswegen wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland im Wesentlichen durch die Binnennachfrage, und zwar durch die Konsumnachfrage, wie durch die Investitionen getragen.

Mit dem Verzicht auf neue Schulden in Zeiten normaler konjunktureller Auslastung leisten wir zugleich einen Beitrag, die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu verstärken, und das nutzen wir mit dem vorliegenden Gesetzespaket zur Verstärkung der Investitionen beim Bund genauso wie bei den finanzschwachen Gemeinden. Das ist der eigentliche Zusammenhang.

Im Übrigen führt diese Finanzpolitik dazu, dass wir uns in Richtung auf die Maastricht-Kriterien des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts hinbewegen. Wir liegen bei der Schuldenstandsquote noch immer deutlich über der Grenze des Maastricht-Vertrages. Wir müssen also wissen, dass wir uns in diese Richtung bewegen. Aber wir sind eines der Länder in Europa, die sich an die Regeln des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts halten. Wir leisten damit auch einen Beitrag, anderen Ländern zu zeigen, dass diese Regeln richtig sind und dass es sich für die Bevölkerung auszahlt, wenn man sich an diese Regeln hält, weil eine bessere Wirtschaftslage und eine bessere Lage am Arbeitsmarkt das Ergebnis einer solchen Politik ist. Es gibt keine bessere Alternative dazu.

Ich will im Übrigen gleich hinzufügen: Es gibt nicht den geringsten Anlass, auch wenn wir derzeit eine gute wirtschaftliche Lage haben, etwa in unseren Anstrengungen nachzulassen. Die weltwirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor durch eine Reihe von Risiken geprägt. Die Veränderungen der Wettbewerbssituation durch die Rahmenbedingungen der Globalisierung – dazu gehört auch die Digitalisierung der Wirtschaft – sind so rasend schnell, dass jeder, der glaubt, er habe Anlass dazu, sich ein wenig selbstzufrieden zurückzulehnen, sehr schnell die Zukunft verspielt. Genau deswegen machen wir das nicht, sondern wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode verabredet – das setzen wir gemeinsam in der Koalition um -, dass wir jeden Spielraum, den wir mit dieser Finanzpolitik erschließen, konsequent dazu nutzen, um die Investitionen zu stärken, die öffentlichen wie die privaten. Wir arbeiten nicht nur an der Stärkung der öffentlichen Investitionen beim Bund, übrigens auch bei den Ländern und bei den Kommunen, sondern wir arbeiten genauso daran, die Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen zu verstärken. Das ist die gemeinsame Bemühung der Bundesregierung.

Weil wir alle Spielräume nutzen, um nachhaltig Wachstum und Beschäftigung zu stärken, will ich daran erinnern: Wir haben in den letzten Jahren die Ausgaben für Bildung und Forschung in einem nie dagewesenen Maße in der Bundesrepublik Deutschland erhöht.

Im Jahr 2011 haben wir im Bundeshaushalt 14 Milliarden Euro für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgegeben. Im Haushalt 2016 steigern wir diese Ausgaben auf 21 Milliarden Euro. Wir liegen bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mit an der Spitze im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Das ist der entscheidende Schlüssel zur Stärkung dynamischer Wachstumskräfte in unserer Volkswirtschaft.

Dazu gehört übrigens auch, obwohl das in den Ausgaben noch gar nicht enthalten ist, dass wir die Länder durch die vollständige Übernahme der Leistungen für das BAföG – es sind immerhin Kosten von jährlich 1,17 Milliarden Euro, die wir den Ländern abgenommen haben, indem wir das BAföG vollständig aus dem Bundeshalt finanzieren – wiederum in ihrer prioritären Zuständigkeit für Schule und Hochschule stärken; denn sie haben sich verpflichtet, alle diese Mittel, die sie für das BAföG nicht aufwenden müssen, in Schule und Hochschule zu investieren. Auch von daher leistet die Bundesregierung einen entscheidenden Beitrag, dass wir in unserem Land die Mittel für Bildung, Wissenschaft und Forschung konsequent, nachhaltig und kontinuierlich steigern.

Daneben konzentrieren wir uns auf die Stärkung der Investitionen. Wir wollen die öffentlichen Investitionen verstärken, und wir stimulieren damit zugleich die Investitionen im privatwirtschaftlichen Bereich. Mit dem vorliegenden Paket setzen wir zunächst einmal um, dass wir insgesamt im Bundeshaushalt im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung die investiven Ausgaben um weitere 10 Milliarden Euro erhöhen, und wir leisten darüber hinaus mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zugleich einen Beitrag, dass finanzschwache Kommunen insgesamt ihre investiven Leistungen erhöhen können.

Die Kommunen sind von den Ebenen Bund, Länder und Kommunen die wichtigste Ebene für Investitionen. Sie hatten in den beiden vergangenen Jahren eine hohe Investitionstätigkeit. Sie haben insgesamt – einschließlich der Extrahaushalte – ihre Investitionen um über 15 Prozent gesteigert, davon im Wesentlichen Bauinvestitionen. Aber die Finanzkraft der Kommunen ist unterschiedlich entwickelt. Durchschnittszahlen hervorzuheben, hilft den schwächeren Kommunen nicht. Deswegen hat sich die Bundesregierung entschieden, die Finanzkraft der Kommunen, gerade der schwächeren Kommunen, konsequent zu stärken.

Der Sinn dieses Gesetzentwurfes ist, einen Fonds aufzulegen, mit dem wir finanzschwächere Kommunen in ihrer Investitionskraft konsequent stärken. Damit leisten wir wiederum einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Stärkung der kommunalen Ebene, sondern auch zur Stärkung der Finanz- und Investitionskraft der Wirtschaft in unserem Lande insgesamt.

Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal sagen, dass wir mit diesem Paket insgesamt die öffentlichen Investitionen im Zeitraum von 2014 bis 2018 um über 40 Milliarden Euro steigern. Das sind rund 1,3 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Deswegen steigern wir unsere Investitionsquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im internationalen Vergleich. So viel zu manchen internationalen Debatten, die durch Zahlen- und Faktenkenntnisse nicht immer allzu sehr beeinträchtigt werden. Es ist wichtig, das gelegentlich einmal zu sagen.

Ich weiß, dass leistungsfähige Kommunen die Grundlage eines leistungsfähigen Gemeinwesens gerade in einem föderalen System sind. Gelegentlich muss man daran erinnern, dass nach der Ordnung des Grundgesetzes die Zuständigkeit für die Kommunen bei den Ländern liegt.

Diese Zuständigkeit achtet die Bundesregierung vollständig. Wir müssen ja immer darauf achten, dass wir im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung unseres Grundgesetzes unsere Aufgaben jeweils wahrnehmen. Insofern will ich sagen: Die Bundesregierung zeigt, dass sie sich ihrer Verantwortung für die kommunale Ebene insgesamt durchaus bewusst ist. Wir haben in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Maßnahmen die Finanzkraft der Kommunen entscheidend erhöht. Wir haben die Kommunen durch die vollständige Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erheblich entlastet.

Wir werden weitere Maßnahmen ergreifen. Wir stärken nicht nur mit der 1 Milliarde Euro, die wir schon im Koalitionsvertrag vereinbart haben, sondern auch schon im Jahre 2017 die Leistungskraft der Kommunen um zusätzliche 1,5 Milliarden Euro. Darüber hinaus legen wir diesen Fonds auf, mit dem finanzschwache Kommunen in ihrer Investitionskraft entscheidend gestärkt werden. Das alles zeigt, dass die Bundesregierung insgesamt konsequent eine Politik zur Stärkung von Kommunen und Ländern betreibt. Ich behaupte, es hat niemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Regierungszeit gegeben, in der die Bundesregierung die Kommunen stärker unterstützt hat als diese Bundesregierung.

Die Kriterien für die Qualifikation der Kommunen für diese Investitionshilfen sind im Wesentlichen eine Mischung aus Einwohnerzahl, Kassenkreditbeständen und Anzahl der Arbeitslosen. Das zeigt: Die Kommunen, die in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind, sollen diese Mittel erhalten. Wir erwarten natürlich, dass die Länder in ihrer Verantwortung dafür sorgen, dass die Mittel durch die Kommunen zügig in Anspruch genommen werden können. Die Investitionsschwerpunkte müssen sein – das ist nach der Ordnung des Grundgesetzes unsere Zuständigkeit: Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur – hier mit dem Schwerpunkt auf energetischer Sanierung von Bildungseinrichtungen –, Klimaschutz. Damit haben wir unseren vom Grundgesetz gegebenen Rahmen vollständig ausgeschöpft.

Ich will in diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass wir uns unserer Verantwortung für die Länderfinanzen durchaus bewusst sind. Ich sage das auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, dass wir uns in den kommenden Wochen und Monaten dringend gesamtstaatlich auf die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab Ende 2019 einigen müssen. Das werden schwierige Verhandlungen sein. Da gibt es sehr unterschiedliche Interessen. Aber wir alle, Länder und der Bund, haben eine gesamtstaatliche Verantwortung, und wir müssen rechtzeitig die Weichen stellen, dass auch nach 2019, nach dem Auslaufen des Solidarpakts II, Klarheit herrscht, wie die Entwicklung weitergeht.

Ich will im Übrigen angesichts der vielfältig drängenden Debatte, die wir im Augenblick führen, hinzufügen: Die Bundesregierung hat vor kurzem mit den Ländern vereinbart, dass sie den Ländern 500 Millionen Euro in diesem Jahr und im kommenden Jahr zusätzliche Leistungen zur Verfügung stellt – auch das ist in dem Gesetzespaket enthalten -, damit die Länder mit der großen Aufgabe, die wachsende Zahl von Menschen, die in unserem Land Zuflucht sucht, unterzubringen, vom Bund nicht alleingelassen werden; vielmehr wollen wir, der Bund, somit unseren Anteil an gesamtstaatlicher Verantwortung wahrnehmen.

Dies alles, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dient dem Ziel, auf dem Pfad der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu bleiben und damit in einer schwierigen Zeit, bei einer nicht unproblematischen demografischen Entwicklung die Leistungen für die Menschen in unserem Land auch in der Zukunft erbringen zu können.

Ich will in diesem Zusammenhang wiederholen: Wir sollten nicht glauben, dass wir uns auf der guten Lage ausruhen können. Wenn wir uns den hohen Anteil an Sozialleistungen in unserem Land weiter leisten wollen – über 50 Prozent des Bundeshaushalts entfallen auf Sozialleistungen -, müssen wir dafür sorgen, dass eine leistungsfähige Wirtschaft die Voraussetzungen dafür erbringt, also die Mittel dafür erwirtschaftet. Nur so werden wir den hohen Stand sozialer Sicherheit für die Menschen in unserem Land bei einer schwieriger werdenden demografischen Entwicklung in der Zukunft erhalten können.

Darin begründet sich die Politik der Stärkung von Investitionen, privaten wie öffentlichen Investitionen, mit der Priorität auf Bildung und Forschung sowie Innovation. Durch stärkere Entbürokratisierung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gilt es dafür zu sorgen, dass Investitionen auch realisiert werden; es genügt nicht, nur Mittel bereitzustellen. Es gilt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Bundesrepublik Deutschland, die heute in einer guten Lage ist, auch für die Zukunft gute Perspektiven hat. Deswegen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie um Zustimmung zu den hiermit eingebrachten Gesetzentwürfen.“