Mehr Polizisten für Kabul – Der Aufbau in Afghanistan geht voran. Eupol fasst Tritt



Gastkommentar von Bundesinnenminister Dr. Schäuble und Bundesaußenminister Dr. Steinmeier in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Wir müssen dankbar sein: Deutschland ist bis heute von einem blutigen Anschlag islamistischer Terroristen verschont geblieben. Wir verdanken dies dem Glück, der Tüchtigkeit unserer Sicherheitsbehörden und der Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern.

Auch wenn wir in Europa mit der bedrückenden Tatsache umzugehen haben, dass viele der Attentäter der vergangenen Jahre aus der Mitte unserer Gesellschaften kamen, darf doch nicht aus dem Blick geraten, dass ihr tödliches Wirken nur möglich war, weil sie sich vielfach auf internationale terroristische Netzwerke stützten.

Solche Netzwerke sind auf Orte angewiesen, die ihnen Schutz und Unterschlupf bieten. Afghanistan war über lange Jahre ein solcher Ort. Dort saßen die Drahtzieher der Anschläge des 11. September und vieler anderer Terrortaten.

Die internationale Gemeinschaft hat 2001 in Afghanistan interveniert, um. dem ein Ende zu bereiten. Das Regime der Taliban und seine terroristischen Unterstützer der Al Qaida wurden vertrieben.

Durch den Einsatz der internationalen Gemeinschaft gelang es, das, von Jahrzehnten des Krieges gezeichnete Land zu stabilisieren. Deutschland hat sich an diesem Prozess an vorderster Stelle beteiligt. Die Konferenzen auf dem Petersberg bei Bonn haben Afghanistan die Rückkehr zur Verfassung und zur Demokratie bereitet. Darauf dürfen wir stolz sein. Deutschland genießt hohes Ansehen in Afghanistan. Deutschland ist im Norden des Landes militärisch präsent, und wir sind beim Wiederaufbau engagiert. Besondere Verantwortung haben wir auch im Sicherheitssektor übernommen.

Unter deutscher Regie wurden erste erfolgreiche internationale Anstrengungen bei der Beratung und Ausbildung der afghanischen Polizei gemacht. Im vergangenen Sommer ist diese Aufgabe nun in die Verantwortung der Europäischen Union übergegangen. Die damit verbundene Herausforderung ist groß und für die Zukunft Afghanistans entscheidend: Nur wenn in Afghanistan das Gewaltmonopol des Staates gilt und es keine rechtsfreien Räume mehr gibt, wird eine stabile Entwicklung des Landes möglich werden.

Niemand leugnet die Schwierigkeiten, mit denen die internationale Gemeinschaft dabei konfrontiert ist. Diese Schwierigkeiten dürfen jedoch keine Rechtfertigung sein, vor der übernommenen Verantwortung zurückzuweichen. Nach einer schwierigen Startphase fasst die europäische Polizeimission Eupol endlich Tritt: bis April sollen bis zu 200 europäische Polizeiberater und andere Fachleute landesweit in Afghanistan im Einsatz sein.

Wir treten darüber hinaus dafür ein., das Personalkontingent von Eupol zu verdoppeln :und werden unseren europäischen Kollegen entsprechende Vorschläge unterbreiten. Deutschland wird ? gemäß einer Absprache der Innenminister von Bund und Ländern dann statt den bereits angebotenen 60 insgesamt 120 Polizisten für den Dienst in Eupol-Afghanistan
anbieten.

Für die Bereitschaft, in einem solch schweren Umfeld Dienst zu tun, und für ihren professionellen Einsatz verdienen die in Afghanistan eingesetzten deutschen Polizeikräfte unseren Respekt und unseren Dank.

Sie haben eine wichtige Aufgabe: eine afghanische Polizei, die ihre Aufgaben zu erfüllen vermag und das Vertrauen der Bevölkerung hat, lässt sich nicht von heute auf morgen schaffen. Dafür bedarf es geduldiger und umfassender Aufbauarbeit, wie wir sie leisten.

Viel ist erreicht worden. Mit deutscher Hilfe .wurde im Jahr 2002 die nationale Polizeiakademie wiederaufgebaut. Dort erlernen junge afghanische Polizisten nicht nur die Praxis der Strafverfolgung, sondern werden auch in Menschenrechtsvorschriften unterrichtet. Vor wenigen Wochen wurde ein mit deutschen Mitteln erbauter Trakt für die Akademie übergeben Dort können jetzt 2100 Lehrgangsteilnehmer ausgebildet werden.

Seit dem Jahr 2005 wurde die gesamte Polizei umstrukturiert. Heute sitzen in den meisten Schlüsselpositionen Polizisten, die durch ein Auswahlverfahren gegangen sind, das sicherstellt, dass sie die geeigneten Fähigkeiten für ihre Arbeit besitzen.

Darüber hinaus leistet Deutschland in enger Absprache mit der EU-Mission ergänzende Ausbildungs- und Ausstattungshilfe. Für das Jahr 2008 hat der Bundestag eine Verdreifachung der Mittel auf knapp 36 Millionen Euro verabschiedet. Damit investieren wir in Infrastruktur und Ausstattung sowie Alphabetisierung der Polizei und unterstützen die Bezahlung von Gehältern.

Neben den in Afghanistan tätigen Polizistinnen und Polizisten aus Bund und Ländern leisten die Feldjäger der Bundeswehr einen wichtigen Beitrag: sie konzentrieren sich mit großem Erfolg auf die Basisausbildung für einfache Polizisten.

Wir sind uns bewusst: Das internationale Engagement allein kann keine rechtsstaatlich funktionierende Polizei aufbauen. Es kann immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Doch unsere Fachleute an Ort und Stelle sind auch voll des Lobes über die Fähigkeit und den Willen vieler Afghanen zu lernen. Unsere Anstrengung trägt nach und nach Früchte. Auf diesem Weg müssen wir weiter voranschreiten.

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