„Eine kluge, wohldosierte, aber nachhaltige und verlässliche Finanzpolitik“ Audio



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit dem Deutschlandfunk
Silvia Engels: Seit gestern wird es ernst für die Haushaltspolitiker in Berlin, denn der eingebrachte Budget-Entwurf für 2011 ist der erste, bei dem die neue verfassungsrechtlich festgeschriebene Schuldenbremse das erste Mal greifen soll. Die Neuverschuldung soll sinken. – Am Telefon ist Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister. Guten Morgen!

Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Engels.

Engels: Macht es Ihnen die Schuldenbremse leichter, sich gegen die Begehrlichkeit der Ressortchefs und auch der Haushaltspolitiker nun zu wehren?

Schäuble: Ja, natürlich! Die Schuldenbremse ist eine gute Selbstverpflichtung und eine Grenze für alle, in der Öffentlichkeit, in der öffentlichen Debatte wie in der Politik. Deswegen hilft sie uns, diesen erfolgreichen Weg zu gehen. Schauen Sie, das Entscheidende ist ja: Wir haben eine ungewöhnlich gute wirtschaftliche Entwicklung, das hat niemand so zu hoffen gewagt. Wir haben eine viel bessere Entwicklung am Arbeitsmarkt, als man zu hoffen wagen konnte, als die anderen europäischen Länder. Das alles hat ja damit zu tun, dass wir eine kluge, wohldosierte, aber nachhaltige und verlässliche Finanzpolitik treiben. Deswegen sind wir auf einem guten Weg. Die Menschen haben weniger Arbeitslosigkeit als vor der Krise, wir haben die höchste Zunahme von Arbeitsplätzen vor allen Dingen in den neuen Bundesländern auch.

Wir haben noch eine Menge Probleme, das ist wahr, aber wir sind auf einem wirklich guten Weg und das Ausland bewundert uns dafür. Wir sind die Wachstumslokomotive in Europa. Man spricht vom Jobwunder in Deutschland. Deswegen ist die Kritik, so wie sie Herr Schneider formuliert hat, das ist eine Pflichtübung der Opposition. Er hat sie ja auch nicht durch ein einziges sachliches Argument unterlegt.

Engels: Aber, Herr Schäuble, gerade wenn Sie die gute Konjunktur ansprechen, da ist es doch eigentlich denkbar, dass Sie dann nicht ganz so hart kürzen müssen, gerade was die sozial Schwachen angeht – sei es jetzt die Abschaffung des Elterngeldes für Empfänger des Arbeitslosengeldes II, die Streichung des Rentenzuschusses. Gerade die Hartz-IV-Empfänger, das war ja die Kritik, trifft es am härtesten.

Schäuble: Aber es ist eben so! Schauen Sie, wenn man durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt wird, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und die öffentlichen Defizite, die wir in den letzten Jahren in kauf nehmen mussten – da war ja die SPD im Übrigen auch noch in Regierungsverantwortung beteiligt -, die waren ja ganz unvermeidlich, damit wir nicht noch schlimmere Auswirkungen der Finanz- und Bankenkrise hatten. Aber jetzt zeigt sich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es wäre ja nun aber die ganz falsche Schlussfolgerung zu sagen, wir sind auf dem richtigen Weg, deswegen ändern wir jetzt wieder die Richtung.

Nein, wir können uns bestätigt fühlen. Das ist der Weg, wie wir wieder zu mehr Arbeit, zu mehr Beschäftigung, zu weniger Arbeitslosigkeit, zu sicheren Sozialsystemen kommen. Wir hatten in den letzten Jahren ja dramatisch hohe Defizite bei der Rentenversicherung, bei der Krankenversicherung, bei der Arbeitslosenversicherung; die mussten alle aus dem Bundeshaushalt zu Lasten der Steuerzahler finanziert werden. Das hat ja die hohen Defizite verursacht. Wir kürzen übrigens nicht hart, das ist nicht richtig. Das Elterngeld zum Beispiel – das muss man ja doch immer sich ins Gedächtnis rufen – ist ja eine Leistung, die dafür gewährt wird, dass Eltern nach der Geburt eines Kindes auf eine Berufstätigkeit verzichten. Wer keinen Beruf ausüben kann, weil er arbeitslos ist, was ja das schlimmere Schicksal ist, der bekommt ja die Lohnersatzleistung. Der kann aber nicht dafür noch einmal eine zusätzliche Entschädigung bekommen, dass er auf eine Arbeit verzichtet, denn er hat ja keine Arbeit.

Deswegen ist das doch richtig, und deswegen: Die Kürzungen sind nicht unzumutbar. Sie treffen natürlich, wen sie treffen, immer, das ist richtig. Die Industrie beklagt sich auch über die Verteuerung der Energie, die Banken beklagen sich über die Bankenabgabe, jeder beklagt sich. Wir haben das ja sehr ausgewogen, das ganze Zukunftspaket der Bundesregierung ist in einer vernünftigen Weise ausgewogen. Und noch einmal: Das Wichtigste, wenn wir für soziale Gerechtigkeit, für soziale Sicherheit arbeiten wollen, ist, dass die Arbeitslosigkeit abnimmt und die Beschäftigung zu. Das genau ist die positive Entwicklung in Deutschland.

Engels: Herr Schäuble, dann schauen wir auf die Risiken dieses Haushalts, und da gibt es ja einige Punkte, dass die Einnahmen zum Beispiel nicht so sprudeln wie gedacht. Da ruft zum Beispiel die Opposition nach der Finanztransaktionssteuer, auch Sie wollen das ja europäisch durchsetzen, das soll ja die Banken stärker zur Kasse bitten. Sie räumen aber auch ein, dass das sehr schwierig ist. Sie sagen also, es ist unklar, ob es kommt; trotzdem planen Sie im Sparpaket ab 2012 jährliche Einnahmen von zwei Milliarden Euro ein. Das klingt nicht solide.

Schäuble: Doch, das ist sehr solide. Ich habe ja auch gestern wieder gesagt – und die Opposition weiß das auch -, ob wir das in Europa durchsetzen können, das ist nicht sicher, wir sind ja nicht allein in Europa, wir sind 27 Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union. Wir setzen uns dafür ein, wir haben es zusammen mit Frankreich geschafft, dass es jetzt auf die Tagesordnung der europäischen Finanzminister gesetzt worden ist. Wir haben im September Vorschläge der Kommission bekommen, wie man eine solche Transaktionssteuer machen kann, wir haben eine erste Diskussion geführt, aber viele andere – das war nicht überraschend – sind anderer Meinung. Deswegen habe ich gesagt, die Bundesregierung setzt sich mit ganzer Kraft dafür ein. Es gibt eine Chance, dass wir es erreichen, aber sicher ist das nicht.

Nur schauen Sie, bei der Transaktionssteuer haben wir ab nächstes Jahr, ab 2012 zwei Milliarden eingeplant. Wenn Sie sich einmal anschauen, wie sich die tatsächliche Neuverschuldung in diesem Jahr entwickelt, durch die bessere Entwicklung am Arbeitsmarkt, weniger Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit, durch die bessere Entwicklung der Wirtschaft, höhere Steuereinnahmen – wir hatten noch im März den Haushalt verabschiedet mit einer Neuverschuldung, hoch in den 67 Milliarden, glaube ich, ist die Zahl gewesen, wir hatten bei der Einbringung des Haushalts im Januar mit 80 Milliarden, 86 Milliarden Neuverschuldung rechnen müssen, jetzt sagen uns alle, wir kommen tatsächlich im Verlauf des Jahres etwa irgendwo zwischen 50 und 60 Milliarden zurande. Sie haben immer, wenn sie eine zukünftige Entwicklung vorhergreifen, ein hohes Maß an Unsicherheit, aber wir liegen mit diesen Zahlen lange in der Schwankungsbreite.

Engels: Das heißt, Sie haben da noch einen Puffer drin. – Jetzt schaue ich aber auf ein anderes mögliches Risikoelement, das ist nämlich die Brennelementesteuer. Sie planen da 2,3 Milliarden Euro jährlich ein ab dem kommenden Jahr. Das ist ja bekanntlich Teil des Energiekonzepts von Union und FDP. Und da könnte es ja sein, das Bundesverfassungsgericht wird damit befasst werden, ob der Bundesrat doch diesem Atomkompromiss zustimmen muss. Was würde das im Fall der Fälle, wenn da noch eine Zustimmungspflicht des Bundesrates herauskommt, für Ihre Steuer bedeuten? Fällt die dann weg?

Schäuble: Nein! Für die Brennelementesteuer bedeutet das gar nichts. Kein Mensch behauptet, dass die Brennelementesteuer zustimmungspflichtig sei. Da geht es um die Verlängerung der Laufzeiten. Die Brennelementesteuer ist rechtlich davon unabhängig.

Engels: Aber wirkt das nicht in den Gesamtzusammenhang, weil ja die Atomkonzerne diese Vereinbarung nur unter Vorbehalt eigentlich bis jetzt unterzeichnen?

Schäuble: Ja, aber die Brennelementesteuer bedarf keiner Vereinbarung. Wir schließen ja bei Steuern keine Verträge mit den Steuerpflichtigen, sondern wir handeln als Gesetzgeber. Aber abgesehen davon: Ich bin ganz sicher, dass das Energiekonzept der Bundesregierung verfassungsmäßig ist und dass es auch nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sie müssen ja immer daran erinnern: Diejenigen, die jetzt dagegen klagen wollen, haben vor einigen Jahren eine Vereinbarung mit der Energiewirtschaft getroffen – bei uns nennen sie es Deal, selber haben sie es gemacht -, und damals haben sie genau das nicht der Zustimmung des Bundesrates zugeführt. Die haben gesagt, das ist nicht zustimmungspflichtig, und jetzt sagen sie, es sei zustimmungspflichtig. Das Verfassungsgericht wird diese Art von Inkonsequenz ja wohl erkennen.

Engels: Das heißt, die Brennelementesteuer kommt in jedem Fall, egal was das Bundesverfassungsgericht entscheidet?

Schäuble: Nein, die Brennelementesteuer unterliegt nicht dem geringsten verfassungsrechtlichen Zweifel. Es ist eine spezifische Verbrauchssteuer, dafür hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz und er verwaltet sie auch selbst. Das wird durch die Zollverwaltung wie andere Verbrauchssteuern – denken Sie an die Tabaksteuer oder die Alkoholsteuer – verwaltet, das ist völlig unstreitig. Ein verfassungsrechtliches Problem ist darin überhaupt nicht.

Engels: Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) heute in den „Informationen am Morgen“. Vielen Dank für das Gespräch.

Schäuble: Bitte sehr! – Auf Wiederhören, Frau Engels.

 

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