„Die Frage kommt zu früh“



F.A.S.: Frau Napolitano, in Deutschland wird heftig darüber diskutiert, ob wir Häftlinge aus Guantánamo aufnehmen sollen. Was erwartet Amerika von Deutschland in dieser Frage?

NAPOLITANO: Die Frage kommt etwas verfrüht. Denn im Augenblick sind wir in der amerikanischen Regierung zunächst einmal dabei, die einzelnen Fälle der Guantánamo-Häftlinge zu evaluieren. Das ist der erste Schritt, bevor weitere Überlegungen angestellt werden.

F.A.S.: In Deutschland ist die neue amerikanische Regierung so verstanden worden, dass die Europäer eine bestimmte Zahl von Gefangenen aufnehmen sollen.

NAPOLITANO: Ich glaube, eine solche Festlegung ist nicht getroffen worden.

F.A.S.: Dann wollen wir etwas allgemeiner fragen …

NAPOLITANO: … nur zu, das machen Journalisten ja gern.

F.A.S.: Die neue amerikanische Regierung hat die Politik der Vorgängerregierung beim Kampf gegen den Terrorismus korrigiert. CIA-Gefängnisse werden geschlossen, Sonderprozesse ausgesetzt, Folterverhöre verboten. Wird es dabei bleiben, auch wenn es wieder zu einem schweren terroristischen Anschlag gegen Amerika kommt?

NAPOLITANO: Präsident Obama hat die Wahl auch deswegen gewonnen, weil er einige dieser eben genannten Praktiken der Bush-Regierung beenden will. Und das wird nun gemacht, wobei die gesetzlichen Grundlagen dieser Praktiken korrigiert werden. Wir wollen gleichwohl beim Kampf gegen den Terrorismus standfest und stark bleiben unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien.

F.A.S.: Guantánamo soll geschlossen werden, der Rechtsstatus des Lagers Bagram in Afghanistan aber unverändert bleiben. Hier sehen Beobachter einen Widerspruch in der neuen amerikanischen Politik. Können Sie das verstehen?

NAPOLITANO: Ich sehe diesen Widerspruch nicht. Der Präsident hat erklärt, dass Guantánamo bis zum nächsten Januar geschlossen wird. Zu Bagram möchte ich mich nicht äußern, da diese Frage nicht in meiner Zuständigkeit liegt.

F.A.S.: Herr Schäuble, was wünschen Sie sich von den amerikanischen Partnern, wenn es um die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus geht?

SCHÄUBLE: Ich wünsche mir, dass wir so vertrauensvoll zusammenarbeiten, wie wir das in der Vergangenheit getan haben. Ich habe keinen Grund, mich über mangelnde Information zu beklagen. Im Gegenteil: Wir haben wesentliche Erfolge in der Abwehr terroristischer Gefahren in Deutschland der engen Kooperation mit den Vereinigten Staaten zu verdanken. Dieser Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn er auf der Basis des nationalen und internationalen Rechts geführt wird. Da stimmen wir überein. Und wir wollen auch im Luftverkehr erreichen, dass einerseits Sicherheit gewährleistet wird, zugleich aber auch die Kontrollen so wenig belastend für alle Passagiere gemacht werden wie nur möglich.

F.A.S.: Frau Napolitano, bei der Terrorismusbekämpfung hat es Differenzen zwischen Amerika und Europa gegeben, etwa bei der Verschleppung von Terrorverdächtigen durch die CIA. So sind Ermittlungen gegen Beteiligte im Sand verlaufen und Haftbefehle nicht ausgeführt worden, weil Amerika nicht kooperiert. Wird sich daran etwas ändern? Ist Amerika bereit, rechtswidrig verhafteten Personen Schadensersatz zu leisten?

NAPOLITANO: Präsident Obama hat sich sehr klar dazu bekannt, dass er in der Terrorismusbekämpfung sehr eng mit unseren Verbündeten zusammenarbeiten will. Und er hat auch sehr deutlich gemacht, dass er den Kampf gegen den Terrorismus in einigen Fragen fundamental anders weiterführen wird, als es sein Vorgänger getan hat. Was aber die Vergangenheit angeht und das, was wiederaufgenommen werden sollte: In diesen Fragen ist Präsident Obama eher zurückhaltend. Wir wollen nach vorne schauen, vorankommen in Zusammenarbeit und Freundschaft und im Rahmen der Gesetze.

F.A.S.: Die Regeln zum Datenschutz sind in Deutschland und Amerika sehr unterschiedlich. Kann man hier zu besseren Abmachungen als bisher kommen?

SCHÄUBLE: Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind zwar unterschiedlich. Aber wir in Europa sollten wissen: Von einem qualitativen Unterschied kann man nicht sprechen. Wir haben schon Fortschritte erzielt und reden weiter über das Thema.

F.A.S.: Scheinen Ihnen manche Diskussionen über Datenschutz in Europa übertrieben, Frau Napolitano?

NAPOLITANO: Wir wollen keinen falschen Widerspruch zwischen Sicherheit und Persönlichkeitsschutz konstruieren. Beides lässt sich in meiner Sicht miteinander in Einklang bringen. Das Interesse an diesen Fragen ist in Amerika genauso groß wie in Europa. Deshalb habe ich in meinem Ministerium einen Datenschutzexperten berufen, der mir unmittelbar berichtet. Wir wollen dadurch diesen Aspekt in unseren Überlegungen von Anfang an mitdenken.

F.A.S.: Herr Minister, Frau Napolitano ist bekannt für Ihren trockenen Witz. Passt dieser Humor zum alemannischen Schäuble-Humor?

SCHÄUBLE: Ich werde mir Mühe geben, alemannische Witze ins Englische zu übertragen. Das müsste passen.

F.A.S.: Mrs. Secretary, Sie gelten als Fan der britischen Komikergruppe Monty Python. Was ist denn Ihr Lieblingsspruch von denen?

NAPOLITANO: (lacht) I’m not dead yet.

Die Fragen an die amerikanische Heimatschutzministerin und den Bundesinnenminister stellten Peter Carstens und Markus Wehner.
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