Der Bundesfinanzminister im Interview mit der Bild-Zeitung



BILD: Spaniens Banken erhalten bis zu 100 Milliarden Euro Hilfen aus dem Rettungsschirm. Werden wir das Geld je wiedersehen?

Schäuble: Daran habe ich keinen Zweifel. Mit den Krediten macht Spanien sein Bankensystem stabiler und widerstandsfähiger. Das schafft neues Vertrauen.

BILD: Warum müssen die Deutschen haften, wenn sich spanische Banken verzocken?

Schäuble: Ich wäre vorsichtig mit dem Wort ‚verzocken‘. Spanische Banken haben sich nicht mit riskanten Finanz- und Investmentprodukten verspekuliert, sondern in einem klassischen Feld der Kreditfinanzierung, nämlich der Finanzierung von Immobilien. Fehler sind dort auch in der Politik passiert. So wurde über Jahre der Bau von Eigenheimen massiv gefördert – ähnlich wie in den USA. Daher stammt ein großer Teil der Probleme.

BILD: Eine breite Mehrheit der Wähler lehnt die Hilfen ab. Warum gibt die Bundesregierung trotzdem grünes Licht?

Schäuble: Wichtig ist jetzt vor allem, dass unsere gemeinsame Währung stabilisiert wird. Wir haben ein hohes eigenes Interesse an einer stabilen Eurozone und wir wollen zeigen, dass unsere gemeinsame Währung Vertrauen verdient. Dazu trägt das Hilfspaket bei. Hinzu kommen die Sparanstrengungen der spanischen Regierung, die ebenfalls Früchte tragen werden.

BILD: Die Spanier protestieren aber heftig gegen den Sparkurs. Wird Spanien das neue Griechenland?

Schäuble: Keinesfalls. Die Ursachen für die Krisen der beiden Länder sind völlig verschieden. Spaniens Wirtschaft ist viel leistungsfähiger und hat eine andere Struktur. Das Land wird schnell wieder vorankommen. Im Übrigen sind Anpassungsprozesse immer schmerzhaft; man kann deshalb bei geplanten Reformen im Vorfeld Demonstrationen nicht vermeiden. Das spricht für die demokratische Offenheit der spanischen Gesellschaft.

BILD: Fliegt Griechenland aus dem Euro, wenn der anstehende Prüfbericht der Troika negativ ausfällt?

Schäuble: Ich werde der Troika nicht vorweggreifen. Wenn es Verzögerungen gegeben hat, muss Griechenland diese aufholen. Wenn der Troika-Bericht vorliegt, wird die Euro-Gruppe beraten.

BILD: Würgt die Eurokrise jetzt auch die deutsche Konjunktur ab?​

Schäuble: Nein, Deutschland steht gut da. Das bescheinigen uns auch internationale Organisationen. Deutschlands Stärke ist natürlich nicht unendlich, aber wir sind immer noch der Fels in der Brandung hier in Europa.​ Weil das so ist, tragen wir aber auch eine besondere Verantwortung.

BILD: Kommt der Finanzminister 2012 also mit weniger neuen Schulden aus als geplant?​

Schäuble: Wir haben seit 2009 in jedem Jahr weniger Schulden aufgenommen als geplant. So wird es voraussichtlich auch 2012 sein. Ich bin hoffnungsvoll, dass wir klar unter der Marke von 32 Milliarden Euro Neuverschuldung landen werden – auch wenn die Spielräume insgesamt kleiner werden.​ Wir sind sorgfältige Haushälter.

BILD: SPD-Chef Gabriel erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kreditinstitute. Ist unser Bankwesen außer Kontrolle geraten?

Schäuble: Mit billigem Populismus wird man der Komplexität des Themas nicht gerecht, vor allem, wenn man die laxe Bankenregulierung der Vergangenheit unter SPD-Verantwortung bedenkt. Die Banken haben in einer Volkswirtschaft eine wichtige Funktion, aber auch eine besondere Verantwortung. Es gab Exzesse und Fehlverhalten und dagegen sind wir vorgegangen. Diese Arbeit muss und wird weitergehen in Europa und im Rahmen der G20. Ärgern tue ich mich manchmal, dass vieles sehr langsam geht. Aber es kann keine Rede davon sein, dass das Bankwesen in Deutschland außer Kontrolle geraten ist.

BILD: Bei den Dispo-Krediten machen die Banken ungeniert Kasse. Brauchen wir eine gesetzliche Zinsobergrenze?

Schäuble: Wir brauchen mehr Transparenz bei den Anbietern und mehr Eigenverantwortung der Verbraucher. Es ist gut, dass sich die Kollegin Aigner jetzt auch um dieses Thema kümmert. Trotzdem: es steht nirgendwo geschrieben, dass man sein Konto überziehen muss.

BILD: Warum sind sie als Finanzminister eigentlich so vehement dagegen, dass NRW die Daten deutscher Steuersünder aufkauft, die ihr Geld am Fiskus vorbei in die Schweiz geschafft haben?

Schäuble: Das Abkommen macht CD-Ankäufe in Zukunft überflüssig und stellt auf legale Weise sicher, dass alle deutschen Steuerhinterzieher in der Schweiz zahlen müssen. Im Übrigen ist es scheinheilig, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister erzählt, er stelle Steuergerechtigkeit her, in dem er flächendeckend mit Kriminellen zusammenarbeitet und zudem nur einen verschwindend kleinen Teil der Steuersünder erwischt, anders als mit dem Abkommen. Wenn das Abkommen scheitert, nützt das nur den Steuerbetrügern.

BILD: Herr Schäuble, die baden-württembergische CDU steckt wegen der EnBW-Affäre um Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus in großen Schwierigkeiten. Was raten Sie ihren Landesverband?

Schäuble: Aufklären, aufklären, aufklären! Da sind Regeln und Institutionen nicht beachtet worden. Das dürfen wir nicht unter den Tisch kehren..

Das Interview führten S. Haselberger und J.W. Schäfer.

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