Bankenunion macht Europa stabiler und handlungsfähiger



Rede anlässlich der Einbringung des Gesetzespakets zur weiteren Umsetzung der Europäischen Bankenunion am 25. September 2014 im Deutschen Bundestag:

„Mit den vorliegenden vier Gesetzentwürfen schaffen wir wichtige Bausteine zum Aufbau der europäischen Bankenunion. Mit dieser Bankenunion ziehen wir die Lehre aus der Finanz- und Bankenkrise; denn die Finanz- und Bankenkrise hat uns mit ihrer unglaublichen Dynamik ja gezeigt, dass die Banken heute jedenfalls alle großen, die global bzw. grenzüberschreitend tätig sind mit einer nationalen Aufsicht nicht mehr hinreichend zu beaufsichtigen sind. Wir brauchen eine grenzüberschreitende Bankenaufsicht. Deswegen ist es richtig, dass wir mit der europäischen Bankenunion eine europäische Bankenaufsicht für die großen, systemrelevanten Banken schaffen.

Der zweite Grund für diese Bankenunion ist, dass es notwendig ist, das Risiko auf dem Gebiet des Finanzsektors von der Reduzierung der Staatsverschuldung zu trennen. Diese Verbindung hat sich ja in den zurückliegenden Jahren der Euro-Krise als ein besonders erschwerendes Element bei der Überwindung der Krise und der Rückgewinnung des Vertrauens in unsere europäische Währung erwiesen.

Für diese Bankenunion konnten wir bei den gegebenen europäischen Verträgen die Aufsicht nur bei der Europäischen Zentralbank schaffen. Anderenfalls hätten wir eine neue europäische Institution schaffen müssen. Dafür braucht man eine Vertragsänderung; dafür braucht man einstimmige Entscheidungen. Das war nicht möglich. Deswegen ist die Rechtsgrundlage nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Artikel 127 Absatz 6, wonach durch einstimmigen Beschluss im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht Aufgaben auf die EZB übertragen werden können.

Ich erwähne das deswegen, weil es nicht ganz unproblematisch ist, geldpolitische Verantwortung und Bankenaufsicht in ein und derselben Institution anzusiedeln. Es ist ganz wichtig, dass beim Aufbau der Bankenaufsicht innerhalb oder bei der EZB die Trennung zwischen beiden Verantwortungsbereichen so strikt wie möglich durchgeführt wird, um jeden Interessenkonflikt zu vermeiden, ja, um auch den Anschein von möglichen Interessenkonflikten zu vermeiden. Ich füge die Bemerkung hinzu: Auch vor diesem Hintergrund bin ich über die derzeit von der EZB begonnene Debatte über den etwaigen Ankauf von Verbriefungsprodukten nicht besonders glücklich; genau dies könnte diese Diskussion bestärken. Ich finde, man sollte das vorsichtig bedenken.

In der europäischen Bankenaufsicht, mit deren Vorbereitung die EZB beschäftigt ist am 4. November 2014 soll diese Bankenaufsicht ihre Arbeit aufnehmen, werden etwa 120 europäische Banken und Bankengruppen – die systemrelevanten; von jedem Mitgliedsland mindestens eine – der europäischen Bankenaufsicht unterstellt. Sie umfassen etwa 85 Prozent der gesamten Bilanzsumme aller europäischen Finanzinstitute, sodass der Großteil der europäischen Banken der europäischen Bankenaufsicht untersteht. Es sind auch rund 20 Banken und Bankengruppen aus Deutschland dabei.

Die kleineren Institute das sind in Europa insgesamt gegenwärtig mehrere Tausend; davon stammt ein großer Teil aus Deutschland unterliegen weiterhin der nationalen Aufsicht. Auch das ist wichtig zu betonen. Die grenzüberschreitenden, systemrelevanten Institute werden der europäischen Bankenaufsicht unterstellt. Wie gesagt, die kleineren Institute unterstehen weiterhin der nationalen Aufsicht. Im Übrigen führt die Übertragung der nationalen Aufsichtsaufgaben auf die Europäische Zentralbank auch zu neuen Berichtspflichten der EZB gegenüber Rat, Europäischem Parlament und auch nationalen Parlamenten, soweit es die jeweiligen Banken anbetrifft. Auch das ist wichtig.

Die Europäische Zentralbank führt derzeit die notwendigen Vorbereitungen durch mit der Prüfung der Bilanzen aller zu übernehmenden Banken und mit den entsprechenden Stresstests, die sicherstellen sollen, dass die Banken, die von der europäischen Bankenaufsicht übernommen werden, genügend Kapital haben. Wir haben die Antragsfrist für den SoFFin bis zum 31. Dezember kommenden Jahres verlängert, damit wir, wenn deutsche Banken im Zusammenhang mit dem Stresstest Probleme haben sollten derzeit zeichnet sich das nicht ab, notfalls in der Lage wären, die entsprechenden Mittel, um handeln zu können, zur Verfügung zu haben.

Das Entscheidende beim BRRD-Umsetzungsgesetz, also bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie, die die Abwicklung und die Sanierung von Kreditinstituten in Europa vorsieht das ist übrigens eine Richtlinie, die in ganz Europa gilt, weil sie eine Frage des gemeinsamen Binnenmarkts, also des europäischen Rechts ist, dass in Zukunft im Sanierungs- oder Abwicklungsfall mindestens 8 Prozent von Eigentümern und Gläubigern getragen werden müssen. Das ist die in der EU-Restrukturierungsrichtlinie vorgesehene Mindestvorschrift für ein Bail-In, die umgesetzt werden muss. Wir schaffen auch für den Abwicklungsmechanismus, den sogenannten SRM, in der Euro-Zone eine entsprechende Vorschrift.

Nach diesen 8 Prozent der Bilanzsumme, die zunächst von Eigentümern und Gläubigern, den Anlegern der Banken, getragen werden müssen, müssen in der Euro-Zone dann die Banken selber, also die Banken, die der europäischen Bankenaufsicht unterstellt werden, im Rahmen eines Bankenfonds Vorsorge treffen, damit im Falle eines weiteren Finanzierungsbedarfs die Finanzindustrie selbst dafür aufkommen kann und eben nicht mehr, wie in der Finanzkrise, der Steuerzahler. Der Sinn des Ganzen ist, dass nicht mehr die Steuerzahler das Risiko tragen, sondern die Banken selber: zunächst die Eigentümer und Anleger und darüber hinaus die Banken selber.

Dieser europäische Bankenfonds, dessen Einrichtung wir ebenfalls in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, soll innerhalb von acht Jahren auf eine Summe von etwa 1 Prozent der gesicherten Einlagen des europäischen Bankensystems – das sind 55 Milliarden Euro – aufgefüllt werden. Die Banken müssen dazu entsprechende Beiträge zahlen.

Die Beiträge werden durch nationale Gesetze beschlossen. Das ist deswegen wichtig, weil wir keine Rechtsgrundlage für eine europäische Bankenabgabe haben. Deswegen müssen nationale Gesetze nach einheitlichem Maßstab erlassen werden. Die Einzelheiten, wie die Beiträge genau ausgestaltet werden, liegen noch nicht fest. Aber es ist nach den Vorschlägen der Kommission jetzt schon klar, dass die kleineren Institute weniger bezahlen müssen und dass der Hauptanteil der Bankenabgabe von den großen, risikorelevanten Instituten – so entspricht es auch dem Sinn der Regelung – getragen werden muss. Das ist der entscheidende Punkt.

Wir haben übrigens auch sichergestellt, dass die Institutssicherung der Bankengruppen der Sparkassen, Raiffeisenbanken und der Kreditgenossenschaften als Institutssicherungen bestehen bleibt. Die neue EU-Einlagensicherungsrichtlinie, deren Umsetzung in nationales Recht wir im nächsten Jahr beraten und beschließen müssen – sie ist nicht Bestandteil des heute eingebrachten Gesetzespakets -, gewährleistet auch, dass die Einlagensicherung nicht vergemeinschaftet wird. Es bleibt bei dem bestehenden Einlagensicherungssystem. Die Institutssicherungssysteme können als Einlagensicherungssysteme anerkannt werden. Sie müssen allerdings noch leistungsfähiger werden, damit sie im Notfall in der Lage sind, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Diese Bemerkung füge ich im Hinblick auf aktuelle Sorgen hinzu.

Die Bankenabgabe, die in diesen europäischen Fonds aufgrund nationaler Gesetze einbezahlt wird, wird schrittweise vergemeinschaftet. Bis die Bankenabgabe innerhalb von acht Jahren voll einbezahlt ist, haften die Mitgliedstaaten, die die Gesetze machen und die Gesetze vollziehen müssen, dafür, dass die Banken die Abgabe zahlen. Das ist entscheidend. Wir haben auf europäischer Ebene keine Möglichkeit, die Zahlung dieser Abgabe durchzusetzen. Deswegen müssen die nationalen Gesetzgeber und die nationalen Regierungen in der Verantwortung bleiben, dass diese Regelung nicht nur beschlossen, sondern auch angewendet wird. Das ist in Europa immer ein großes Problem. Bis zur vollen Einzahlung der Beiträge haften also die Mitgliedstaaten.

Es wird auch die Möglichkeit der direkten Bankenrekapitalisierung aus dem europäischen Rettungssystem geben. Diese direkte Bankenrekapitalisierung aus dem europäischen Rettungssystem bleibt allerdings nachrangig. Es ist in jedem Fall so: Zunächst müssen die Eigentümer und Gläubiger die 8 Prozent der Bilanzsumme der Bank zahlen. Danach springt die Finanzindustrie selbst zur Bankensicherung ein, und dann gibt es noch die Möglichkeit – Voraussetzung dafür ist aber, dass der Mitgliedstaat einen Antrag stellt -, dass mit dem Mitgliedstaat die entsprechenden Bedingungen, die Konditionalität, vereinbart wird. Es gibt keine Mittel aus dem europäischen Rettungsschirm ohne einen Antrag des Mitgliedstaates und ohne eine mit dem Mitgliedstaat zu vereinbarende Konditionalität. Das ist das entscheidende Element, der Grund, warum der europäische Rettungsschirm so erfolgreich gewesen ist.

Wir haben durchgesetzt, dass das auch bei der direkten Bankenrekapitalisierung gilt, die im Übrigen nur dann infrage kommt, wenn ein Mitgliedstaat zur indirekten Bankenrekapitalisierung nicht in der Lage ist. Ich sage ausdrücklich: Die direkte Bankenrekapitalisierung ist nachrangig. Diese Haftungskaskade haben wir sichergestellt.

Das Entscheidende bei allen europäischen Regulierungen ist: Wir müssen auf all das achten, solange unsere gemeinsame Währung auf einer Währungsunion beruht, die eben nicht ihre Entsprechung in einer Finanz- und Wirtschaftsunion bzw. in einer politischen Union hat. Es ist das Grundprinzip der Konstruktion der europäischen Währung, dass die Währung vergemeinschaftet ist und wir eine gemeinsame Geldpolitik haben, weswegen sich die Mitgliedstaaten an die Verabredungen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik halten sollten. Das ist vielfach Gegenstand aktueller Diskussionen. Würden sich alle an das, was vereinbart worden ist, halten, hätten wir weniger Probleme in Europa. Auch das muss man gelegentlich sagen.

Weil dies so ist, müssen wir Fehlanreize in Europa vermeiden. Deswegen muss klar sein: Es wird niemand – ich sage das auch im Hinblick auf eine aktuelle Debatte in einem anderen Zusammenhang – eine Chance haben, ohne die Vereinbarung von Anpassungsprogrammen in den Mitgliedstaaten, die sogenannte Konditionalität, auf Mittel des europäischen Rettungsschirms Zugriff zu bekommen. Die 80 Milliarden Euro, die wir in den europäischen Rettungsschirm einbezahlt haben, sind keine Verfügungsmasse für alle möglichen kreativen Ideen an neuen Finanzierungsinstrumenten, sondern sie sind eine Vorsorge dafür, dass die europäische Währung stabil bleibt und das Vertrauen der Finanzmärkte behält. Das haben wir erfolgreich eingeführt. Der Grund für die Einführung dieses Rettungssystems war eigentlich, dass man es hat, ohne es zu brauchen. Genau das ist der Sinn eines Sicherungssystems: dass es nicht immer gebraucht wird. Deswegen stehen diese 80 Milliarden Euro auch nicht für alle möglichen kreativen Gestaltungsideen in Europa zur Verfügung.

Damit komme ich zu meiner letzten Bemerkung. Wir haben, obwohl die Konstruktion der europäischen Währung kompliziert ist und viele am Anfang gezweifelt haben, ob sie überhaupt funktioniert – die Debatte über die Frage „Kann eine Geldpolitik mit unterschiedlichen Finanz- und Wirtschaftspolitiken klappen?“ haben viele Ökonomen über Jahrzehnte geführt, die Vertrauenskrise gut überwunden, weil wir ganz konsequent an dem Grundsatz „Hilfe und Solidarität gegen Hilfe zur Selbsthilfe“ festgehalten haben. Es geht immer um Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Geschichte der fünf Länder, die Rettungsprogramme bekommen haben, ist eine Erfolgsgeschichte. Sie alle haben die strukturellen Reformen umgesetzt und sind auf dem richtigen Weg. Diejenigen, die heute Probleme haben, können aus dieser Erfolgsgeschichte lernen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass jedes Mitgliedsland seine eigenen Reformen und Strukturanpassungen durchführt. Dann werden wir alle gemeinsam in Europa Erfolg haben.

Die Bankenunion, die wir mit diesen vier Gesetzen schaffen, ist ein wichtiger Schritt, um in einer Zeit voller Ungewissheiten Europa noch ein Stück stabiler und handlungsfähiger zu machen. Deswegen bitte ich Sie um sorgfältige Beratung und am Ende um Zustimmung zu diesen Gesetzentwürfen.“